19-12-2023 Info
Laufende Aktualisierung der Informationsblätter für die Herausforderungen von morgen
Wissensvermittlung auf Schweizer Ebene
Die Dynamik gebietsfremder Arten, insbesondere invasiver gebietsfremder Arten, entwickelt sich ständig weiter. Das Wissen über diese Arten in der Schweiz wächst oft parallel zu ihrer Verbreitung auf dem Gebiet. Deshalb werden die Informationsblätter regelmässig aktualisiert, um die Erkenntnisse über ihre Verbreitung, ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten sowie die mit diesen Arten verbundenen Schäden auf schweizerischer und/oder lokaler Ebene erneuern zu können. Für alle Arten auf der Liste der invasiven Neophyten (die nachweislich Schäden in der Umwelt verursachen) gibt es heute ein Informationsblatt in einem aktuellen Format, das in drei Landessprachen übersetzt wurde. Die Blätter werden zudem weiterhin regelmässig auf der Grundlage des von den zahlreichen Akteuren in diesem Bereich eingebrachten Wissens aktualisiert (siehe Listen und Infoblätter).
Invasiver Bestand von Aster lanceolatus in den Schilfgürteln der Magadinoebene (Kanton Tessin). © Nicola Patocchi
Die Dynamik einiger Arten ist wichtig, z. B. die der Neubelgischen Astern (Aster novi-belgii aggr., Informationsblatt), die 2014 auf die Watch List gesetzt wurden und nun auf der Liste der invasiven Neophyten (2021) stehen. Das invasive Potenzial der Neubelgischen Astern ist für wertvolle Umgebungen wie Sümpfe problematisch. Obwohl das Vorkommen einiger invasiver Neophyten offenbar auf bestimmte Regionen beschränkt ist, wie zum Beispiel das des Schmalrohr (Lagarosiphon major) im Genfersee und im Kanton Tessin (Informationsblatt), ist es von grösster Bedeutung, dass diese Informationen so schnell wie möglich auf Schweizer Ebene weitergeleitet werden. Denn solche Arten, welche sich sehr oft an ein breites Spektrum an ökologischen Bedingungen anpassen können, haben ein hohes Ausbreitungspotenzial und es besteht somit die Gefahr, dass sie innert kurzer Zeit alle biogeografischen Regionen besiedeln.
Lagarosiphon major bedeckt den Seegrund in La Tour-de-Peilz (Kanton Waadt) vollständig. © Adrian Möhl
In der Schweiz werden neue Methoden und Ratschläge zu ihrer Bekämpfung erarbeitet, die parallel zu ihrer Verbreitung laufen. Der Lästige Schwimmfarn (Salvinia molesta) wurde in der Schweiz erstmals 2009 im Kanton Tessin, genauer in der Region Mendrisio, beobachtet (Informationsblatt). Im Jahr 2018 wurde im Rahmen einer vom Kanton durchgeführten Studie die Verbreitung der Art in neun Teichen in dieser Region kartiert. Heute hat sich der Lästige Schwimmfarn in der Schweiz dank gezielter Bekämpfungsmassnahmen nicht mehr weiter ausgebreitet und beschränkt sich auf sporadische Vorkommen im Tessin. Die an der Bekämpfung beteiligten Akteure können uns jederzeit ihre Erfahrungen mitteilen, indem sie uns schreiben auf neobiota[at]infoflora.ch.
Neue Informationen über die Fortunes Hanfpalme
Die Fortunes Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) ist eine exotische Palmenart, die ursprünglich aus Südostchina stammt (Informationsblatt). Mittlerweile liegen gut dokumentierte Aspekte zu ihrer Ausbreitung südlich der Alpen vor. Verschiedene Faktoren wie steigende Wintertemperaturen, Störungsregime, Veränderungen in der Landschaftsnutzung sowie ihre effiziente sexuelle Fortpflanzung sind Faktoren, die ihre Ausbreitung begünstigen. Nördlich der Alpen ist die Fortunes Hanfpalme in der Lage, sich ausserhalb von Gärten zu entwickeln und zu etablieren, insbesondere rund um die grossen Seen: Genfersee, Vierwaldstättersee, Zürichsee und Zugersee sowie auch in der Region Basel.
Beispiel einer männlichen Palme (Trachycarpus fortunei), die in einem Teil ihrer Blütenstände Früchte produziert. © Antoine Jousson
Die Fortunes Hanfpalme ist normalerweise eine zweihäusige Art, d. h. mit weiblichen und männlichen Pflanzen. Obwohl die Weibchen die meisten Samen in den Populationen produzieren, hat eine neuere Studie (Link) gezeigt, dass einige männliche Individuen in der Lage sind, teilweise weiblich zu werden und im Laufe ihres Lebens auch Früchte zu produzieren, was zu einer Erhöhung der gesamten Samenproduktion in den Populationen beiträgt.
Eine andere neuere Studie (akzeptierter Artikel) auf der Alpensüdseite (CH und IT) untersuchte die Auswirkungen der Fortunes Hanfpalme auf die lokale Vegetation und Waldverjüngung. In Auenwäldern und Wäldern an Nordhängen verringerte die Palme die Diversität einheimischer Pflanzen, während in Wäldern an Süd-, West- und Osthängen keine vergleichbaren Effekte festgestellt wurden.
Ausserdem wurde in diesem Sommer 2023 zum ersten Mal die Palmenmotte (Paysandisia archon) in freier Wildbahn beobachtet (WSL: die Palmenmotte im Tessin). Dieser parasitäre Schmetterling wurde südlich der Alpen verzeichnet. Die Larve bohrt sich in das Meristem der Palmen ein und ernährt sich davon. Dieses Verhalten könnte die Ausbreitung der Fortunes Hanfpalme in den erwähnten Gebieten verlangsamen. Mehrere andere Palmenarten sind hingegen betroffen, darunter nichtinvasive Zierpalmen und Sammlerarten (z. B. auf den Brissago-Inseln), für welche dieser Parasit ein Problem darstellt.
Wissenserwerb für die Arten der zweiten Liste
Die Liste der potenziell invasiven Neophyten (bei denen von einem Schaden in der Umwelt auszugehen ist) ermöglicht es, Arten zu identifizieren, bei denen rasch Untersuchungen erforderlich sind, um ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu dokumentieren. Die Informationsblätter heben den aktuellen Wissensstand für diese in der Schweiz vorkommenden Arten hervor. So ist zum Beispiel die Besen-Radmelde (Bassia scoparia) eine Ruderalpflanze, die trockene, offene Lebensräume besiedelt. Sie kann dichte, fast monospezifische Bestände bilden und verdrängt lokal die einheimische Vegetation. Dies insbesondere auf Kosten der Arten, die in den frühen Stadien der ökologischen Sukzession vorkommen (Informationsblatt). Im Wallis tritt die Besen-Radmelde in der Nähe von Felssteppen und Trockenrasen von hohem ökologischem Wert auf. Derzeit ist es jedoch schwierig abzuschätzen, in welchem Umfang sie tatsächlich in diese Lebensräume vordringen könnte.
Bassia scoparia wird als Zierpflanze genutzt und ist auf diesem Weg in die Schweiz gelangt. Hier wird sie hauptsächlich im Wallis beobachtet, gelegentlich auch im Mittelland. © Christophe Bornand
Text: Sektion Neophyten