Die Erhaltung gefährdeter Wildpflanzen ausserhalb ihres natürlichen Lebensraumes (ex situ) ist eine Möglichkeit das Aussterben von Arten zu verhindern. Dabei können gefährdete Arten ex situ z.B. in Botanischen Gärten gesichert und vermehrt werden (Lebendkulturen oder Samenbank), und dann wieder in natürlichen Lebensräumen angesiedelt werden. Dieses Vorgehen soll kein Ersatz für Massnahmen zur Erhaltung oder Förderung bestehender Populationen in der Natur (in situ) sein, sondern eine Ergänzung zu bereits bestehenden in situ Massnahmen. In situ-Massnahmen und ex situ-Erhaltung ergänzen sich aber oftmals.
Die Globale Strategie zur Erhaltung von Pflanzen, GSPC, welche die Schweiz über die Biodiversitätskonvention oder Convention on Biological Diversity, CBD, ratifiziert hat verlangt ausserdem, dass 75% der gefährdeten Arten ex situ erhalten werden, und dass 20% davon für Ansiedlungen zur Verfügung stehen.
Unterstützt durch diese gesetzlichen Anforderungen und bedingt durch den Rückgang der Arten in situ, werden auch in der Schweiz seit einigen Jahren Samen gefährdeter Wildpflanzen für die ex situ-Erhaltung gesammelt, je nach dem vermehrt und für Ansiedlungen in natürlichen Habitaten benutzt.
Die folgenden Empfehlungen enthalten praktische Tipps zum Sammeln von Samen in den bestehenden Populationen, zur ex situ-Erhaltung und zur Ansiedlung gefährdeter einheimischer Wildpflanzen in der Schweiz. Die Empfehlungen stützen sich auf die IUCN Guidelines, auf die gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz, auf die Schlussfolgerungen einer in Bern durchgeführten Tagung im 2015, auf den derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand (Literatur) und auf praktische Erfahrungen.
An der Erarbeitung der Empfehlungen beteiligten sich insbesondere Experten des Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève, des Instituts für Pflanzenwissenschaften und des Botanischen Gartens der Universität Bern sowie von Info Flora.
*Ansiedlung: im Sammelbegriff "Ansiedlung" sind enthalten Verstärkungen von bestehenden Populationen, Wieder-ansiedlungen von Populationen innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes und Neu-Ansiedlungen ausserhalb des historischen Verbreitungsgebietes.
Das wichtigste in Kürze:
Ziel:
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Saatgut von Wildpflanzen kann zu verschiedenen Zwecken gesammelt werden:
Die folgendenEmpfehlungen betreffen das Sammeln von Samen oder Pflanzenmaterial zur ex situ-Erhaltung und/oder zur Ansiedlung gefährdeter Wildpflanzen.
ZIEL: das gesammelte Material soll den Genpool einer Population möglichst gut repräsentieren.
Bevor gesammelt wird, muss entschieden werden welche Arten für die ex situ-Erhaltung ausgewählt werden sollen, Dafür können verschiedene Kriterien und Listen verwendet werden, wie zum Beispiel:
Dann müssen geeignete Bestände / Populationen ausgesucht werden. Idealerweise sollten die besammelten Populationen möglichst gross sein. Ausserdem sollte man die Standortbedingungen und die Verteilung der zu besammelnden Individuen genau kennen. Eine vorgehende Besichtigung kann somit sehr wichtig sein – auch zur genauen Bestimmung der Art.
Bevor gesammelt wird braucht man die nötigen Bewilligungen, sicher von der kantonalen Naturschutzfachstelle und vom eventuellen Landbesitzer. Ausserdem ist es zentral, dass sich die verschiedenen Erhalter, meist die botanischen Gärten, koordinieren. Info Flora sammelt die Daten zu ex situ-Erhaltungen und eventuellen Ansiedlungen in ihrer Datenbank.
Das gesammelte Material soll den Genpool einer Population möglichst gut repräsentieren. Um dies zu erreichen müssen verschiedene Punkte eingehalten werden. Sehr umfangreiche Informationen findet man auf der Website von Ensconet, dem European Native Seed Conservation Network, insbesondere
Anweisungen zur Sammlung von Samen an Wildpflanzen
Die Empfehlungen kurz zusammengefasst:
Für die ex situ-Erhaltung der Samen in einer Samenbank oder im botanischen Garten
Sammlungen sind selten perfekt, in jedem Fall soll man alles daran tun um die genetische Variabilität einer Population möglichst vollständig wiederzuspiegeln. Und, ebenso wichtig ist die genaue Beschreibung der ökologischen Bedingungen am Sammelstandort. |
Für eine Langzeiterhaltung ist die Einlagerung in Samenbanken sicher die beste Methode.
Das Conservatoire et Jardin Botaniques de la ville de Genève betreibt eine Samenbank, welche Pflanzensamen unter optimalen Bedingungen auf lange Zeit sichert. Die Samen werden mit der Technik der Kryokonservation erhalten. Für jede Akzession werden zwei Muster eingelagert – eines steht eventuellen Forschungs- oder Ansiedlungsprojekten zur Verfügung, das zweite dient der Langzeiterhaltung. Die Technik der Einfrierung von Samen in der Samenbank ist mittlerweile sehr ausgereift und Samen können so mehrere Jahrzehnte ohne grössere Verluste in der Keimfähigkeit gelagert werden. Risiken liegen insbesondere darin, dass die eingelagerten Samen der natürlichen Evolution entgehen, und sich somit nicht an ein sich änderndes Klima anpassen können.
Weitere Informationen erhalten Sie beim Conservatoire et Jardin Botaniques de la Ville de Genève.
Die Erhaltung in Lebendkulturen in Botanischen Gärten ist eine weitere Möglichkeit der ex situ-Erhaltung. Auch hier müssen verschiedene Punkte eingehalten werden, damit Risiken wie genetische Drift, Inzuchtdepression, Selektion oder Hybridisierung vermieden werden können. Siehe die folgenden Seiten zu ex situ-Erhaltung.
Das Wichtigste in Kürze:
Ziel:
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Wird eine Akzession einer Pflanzenart (Pflanzenmaterial einer genau definierten und dokumentierten Wildherkunft) in einem Garten kultiviert oder in einer Samenbank eingelagert, so spricht man von ex situ-Erhaltung. Das zu erhaltende Material einer Population sollte so gut wie möglich die genetische Vielfalt der Population repräsentieren.
In der Regel ist das Ziel einer ex situ-Erhaltung das lokale, regionale oder globale Aussterben einer Art zu verhindern. Ist die Ansiedlung einer gefährdeten Art geplant, so ist es meist notwendig das gesammelte Pflanzenmaterial ex situ zu vermehren. Ebenso kann es sein, dass die Lagerung der Samen einer Art nicht oder nur schwer möglich ist, und so eine Erhaltung der Individuen in einer Lebendkultur notwendig ist. Sowohl bei der ex situ-Erhaltung als auch bei der ex situ-Vermehrung von Pflanzenmaterial können verschiedene Risiken auftreten. Im Folgenden werden die Risiken und die Empfehlungen zur Risikovermeidung erläutert.
Genetische Drift : Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch genetische Drift zu starken Veränderungen der genetischen Konstitution einer Population kommt nimmt mit der Grösse der Population ab. Gerade in kleinen Populationen, wie wir sie oft in ex situ-Erhaltungen finden, kann es daher leicht vorkommen, dass genetische Variation verloren geht und zufällig Erbmerkmale (Allelle) fixiert werden, so dass sich die Individuen deutlich vom ursprünglichen Genpool (d.h. in der natürlichen Herkunftspopulation) unterscheiden. Diese geringere genetische Vielfalt kann die Fitness der Pflanzen und die Fähigkeit der Population sich an verändernde Umweltbedingungen anzupassen, mindern.
Inzucht und Inzuchtdepression : Ebenfalls ein Problem kleiner Populationen ist Inzucht, da die Wahrscheinlichkeit, dass sich nah verwandte Pflanzen immer wieder miteinander kreuzen, steigt. Dadurch werden wiederholt ähnliche Genotypen miteinander kombiniert, was einerseits die genetische Vielfalt innerhalb der Population verringert, und andererseits die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass schädliche Merkmalsausprägungen in Erscheinung treten. Führt Inzucht zu einer solchen Verringerung der Fitness nennt man dies Inzuchtdepression.
Empfehlungen zur Vorbeugung genetischer Drift und Inzucht : man sollte möglichst viele Individuen bzw. Samen vieler Individuen einer Population in Kultur nehmen. Nach verschiedenen Literaturangaben wäre es ideal eine Populationsgrösse von 500-5'000 Individuen zu erhalten. Je nach Machbarkeit muss die Populationsgrösse verringert werden. (Siehe die Empfehlungen zum Sammeln von Material am Wildstandort)
Bis jetzt werden in der Schweiz die Akzessionen einer Art getrennt erhalten. Stammt aber das Ausgangsmaterial aus kleinen, nicht sehr vitalen Populationen, dann ist der Verdacht auf genetische Drift und Inzucht sehr gross. In diesen Fällen muss man sich gut überlegen ob es nicht sinnvoll wäre Pflanzenmaterial aus mehreren benachbarten Populationen, welche immer ein ähnliches Habitat aufweisen, auch in den ex situ-Anlagen (Gartenbeet) zu mischen. Die Risiken der genetischen Drift und Inzucht können durch eine Vermischung von Populationen aus ähnlichen ökologischen Bedingungen vermindert werden.
Auszucht : Werden Individuen verschiedener, entfernter Populationen zusammen kultiviert, besteht die Gefahr der Auszucht.
Auszucht bedeutet, dass sich Genotypen miteinander kreuzen, die verwandtschaftlich weiter als zufällig voneinander entfernt sind, und sich aufgrund ihres unterschiedlichen Lebensraums genetisch auseinanderentwickelt haben. Wenn Individuen besonders gut an ihr Habitat angepasst sind, kann durch die Kreuzung von Individuen unterschiedlicher Populationen diese Anpassung verloren gehen. Einen solchen Fitnessverlust nennt man Auszuchtdepression.
Empfehlungen zur Vorbeugung von Auszucht : Um der Auszuchtdepression vorzubeugen, sollten Individuen verschiedener Populationen nicht in räumlicher Nähe kultiviert werden, beziehungsweise Individuen verschiedener Populationen sollen nur gemischt werden, wenn die Herkunftshabitate sehr ähnliche ökologischen Bedingungen aufweisen (prioritäres Kriterium) und die Populationen aus benachbarten Wuchsorten stammen.
Das Risiko und die Stärke von Aszuchtdepression sind allerdings wissenschaftlich nicht unumstritten und es sind nur wenige, sehr spezielle Fälle bekannt, bei denen Auszuchtdepression eine negative Rolle bei der Wiederansiedlung gespielt hat (siehe auch Empfehlungen Ansiedlungen)
Gärtnerische Selektion : Die Kultivierung von Wildpflanzen unter Gartenbedingungen birgt immer auch die Gefahr, dass sich die Individuen innerhalb kürzester Zeit (wenigen Generationen) an die Gartenbedingungen anpassen. Dies kommt daher, da die Bedingungen im Garten anders sind als am Wildstandort: zum Beispiel werden die Pflanzen im Garten, im Gegensatz zu den natürlichen Bedingungen, meist gut gegossen und gejätet und oft in nährstoffreicher Erde angezogen. Als Folge könnten sich die Pflanzen an die Gartenbedingungen anpassen und gleichzeitig wichtige Anpassungen an Stress (Trockenheit, Konkurrenz, Nährstoffarmut), die es ihnen erlaubt in der Natur zu überdauern, verlieren. Auch durch gärtnerische Selektion, z.B. für grössere Blüten und Samen oder frühe Keimung und Blühzeitpunkt, kann es zu Veränderungen wichtiger Merkmale der Pflanzen kommen. Durch diese Anpassung könnte das ex situ vermehrte Material seine Eignung für eine erfolgreiche Ansiedlung am Naturstandort verlieren
Empfehlungen zur Vorbeugung von gärtnerischer Selektion : Generell sollte die Anzahl der Zwischenvermehrungen (Generationen ex situ), welche Material für Ansiedlungen liefern sollen, so gering wie möglich gehalten werden. Wenn Pflanzen nur für einen Vermehrungszyklus ex situ und spezifisch für ein Ansiedlungsprojekt kultiviert werden, sollte die Mortalität in der Kultur möglichst gering gehalten werden um die gesammelte genetische Variabilität möglichst ohne Verlust für die Ansiedlung bereitzustellen.
Wenn jedoch die Art für mehrere Generationen, z.B. als Erhaltungskultur, geführt werden soll, sollten weitere Punkte beachtet werden. Um eine Anpassung der Pflanzen an Gartenbedingungen zu vermeiden, sollte man die Pflanzen möglichst in naturnahen Beeten kultivieren, d.h. die Umweltbedingungen (Bodentyp, Wasser und Nährstoffversorgung) so ähnlich wie möglich wie die des natürlichen Habitats gestalten. Ebenfalls sollte man Konkurrenz mit anderen typischen Vertretern des Habitats zulassen. Die Vermehrung einer Population sollte wenn möglich sich selbst überlassen werden um Selektion in z.B. der Keimfähigkeit oder der Phänologie zu verhindern. Falls dies nicht geht und Individuen in Gewächshäusern vorgezogen werden müssen ist es wichtig, dass spät und früh keimende, grosse und kleinere Pflanzen ausgepflanzt werden um die genetische Variabilität in der Population zu erhalten und nicht auf bestimmte Merkmale, z.B. frühe Keimung oder schöne Blüten, zu selektieren.
Hybridisierung : In Gärten besteht die Gefahr einer Hybridisierung oder Kreuzung von Individuen verschiedener meist nah verwandter Arten, die in der Natur nicht zusammen vorkommen. Dies kann einerseits zu einem sterilen Nachwuchs führen, oder andererseits kann die genetische Integrität der Arten bei fertilen Hybriden beeinträchtigt werden.
Empfehlungen zur Vorbeugung der Risiken durch Hybridisierung : Bei Arten aus für Hybridisierungen bekannten Gattungen wird empfohlen diese so weit wie möglich voneinander entfernt zu kultivieren, oder sich auf eine Art als Erhaltungskultur zu konzentrieren. Aussenstationen können dazu genutzt werden genügend Abstand zwischen Arten mit hohen Hybridisierungsrisiko zu bringen und diese sicher ex situ zu kultivieren. Dies gilt ebenfalls für Pflanzen verschiedener Populationen einer Art, bei denen eine Vermischung der Herkünfte durch Pollenflug verhindert werden soll; z.B., weil die Populationen stark differenziert sind oder deren Herkunft geografisch weit entfernt voneinander liegt. Eine sichere Distanz um Kreuzbestäubung zu verhindern ist schwer zu benennen, Pollentransfer (durch Insekten) über mehr als 1 km ist aber eher unwahrscheinlich.
Ist eine räumliche Trennung nicht möglich, empfiehlt es sich die Pflanzen zur Blütezeit mit Netzen gegen Fremdbestäubung zu schützen und die Bestäubung per Hand oder mit Hilfe von portablen Bienenvölkern zu sichern.
Mutationsakkumulierung : Mutationen entstehen spontan und in jedem Organismus. In natürlichen Populationen geht man davon aus, dass schädliche Mutationen nicht bestehen können und ausselektiert werden (z.B. durch harte Umweltbedingungen). In ex-situ Kulturen werden die Pflanzen aber oft „verwöhnt“, sie werden mit Wasser und genügend Nährstoffen versorgt und sogar von lästiger Konkurrenz oder Frassfeinden befreit. Dadurch können auch Individuen bestehen, welche normalerweise aufgrund von schädlichen Mutationen gestorben wären. Mutationen können sich somit in der Population anreichern und theoretisch, wenn die Pflanzen wieder angesiedelt werden, den Ansiedlungserfolg verringern.
Empfehlungen zur Vorbeugung der Risiken durch Mutationsakkumulierung : eine der wichtigsten Regeln ist die Anzahl der Generationen in ex situ-Kultur so klein wie möglich zu halten. Dies gilt auch zur Risikoverminderung durch Inzuchtdepression und genetische Drift. Ausserdem können durch die naturnahe Inkulturnahme in Gärten schädliche Mutationen wieder ausselektiert werden.
Das Wichtigste in Kürze:
Ziel:
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Ansiedlungen gefährdeter Pflanzenarten werden als immer wichtigere Massnahmen für den Erhalt der Biodiversität propagiert. Ansiedlungen sind je nach dem eine interessante Ergänzung zu den Artenschutzmassnahmen in situ. Die Priorität im Naturschutz liegt in der in situ-Erhaltung so vieler natürlicher Populationen wie nur möglich in ihren ursprünglichen Habitaten. Ansiedlungen können allerdings als ergänzende Massnahme sehr sinnvoll sein um den Rückgang der Biodiversität aufzuhalten.
Spricht man von Ansiedlungen, muss man zwischen Verstärkungen, Wiederansiedlungen und Neu-Ansiedlungen unterscheiden (siehe auch die IUCN Guidelines).
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Die häufigste Ursache für eine gescheiterte Ansiedlung (Wiederansiedlung) ist ein nicht geeignetes Habitat. Deshalb ist es für den Ansiedlungserfolg besonders wichtig, die Eignung eines Habitats sicher zu beurteilen – eine Aufgabe die oft schwierig ist. Biologie und Ökologie der betreffenden Art, sowie die ökologischen Bedingungen der ursprünglichen, besammelten Population und des ausgesuchten Wildstandortes für die Ansiedlung müssen genauestens bekannt sein.
Vor allem kleine Populationen können stark durch Umweltschwankungen beeinträchtigt werden. Zudem muss beim Verpflanzen von Individuen sowie beim Aussähen von Samen damit gerechnet werden, dass die Population in den ersten Jahren deutlich abnimmt, sich dann aber nach einem Flaschenhals auch wieder erholen kann. Dabei sind Populationseinbrüche von bis zu 90 % nicht ungewöhnlich. Deshalb ist es so wichtig, möglichst viele Individuen auszubringen, um das Überleben der Population zu sichern. Eine grosse Individuenzahl vergrössert auch die Chance, dass unter den vielen verschiedenen Genotypen sich nicht angepasste ausselektionieren, und angepasste sich etablieren können.
Es ist jedoch oft schwierig eine Anzahl Individuen für Ansiedlungen zu empfehlen. Je nach Art und Lebensraum werden mehr oder weniger Individuen benötigt, um eine eigenständige Population zu gewährleisten. Ein paar Faustregeln gibt es aber doch:
Werden Pflanzen anstelle von Samen ausgebracht, scheint dies vor allem für langlebige Arten von Vorteil zu sein, da bei diesen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Same zur adulten Pflanze wird, oft geringer ist. Eine adulte Pflanze macht viele Samen, und trägt somit stärker zum Populationswachstum bei als ein Same, der womöglich den adulten Status nicht erreicht. Je älter eine Pflanze wird (Alter der ersten Reproduktion) desto mehr Samen werden benötigt um eine ausreichende Anzahl adulter Individuen im Naturstandort zu erhalten und somit eine selbsterhaltende Population zu gründen. Für kurzlebige, z.B. annuelle Arten ist der extra Aufwand des Pflanzen Aufziehens und Auspflanzens nicht zwingend notwendig.
Unzählige Studien unterstreichen die Wichtigkeit einer hohen genetischen Variation für das Überleben von Populationen und demzufolge für den Ansiedlungserfolg gefährdeter Pflanzenarten. Je diverser eine Population ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen kann, eine Eigenschaft, die besonders vor dem Hintergrund des derzeitigen Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zudem schützt eine hohe genetische Variation vor Inzucht. Eine grössere genetische Variation kann durch das Mischen von Pflanzenmaterial verschiedener Populationen erreicht werden.
Allerdings besteht oft die Sorge, dass durch das Mischen verschiedener, eventuell sogar entfernt liegender Populationen Pflanzenmaterial eingebracht wird, welches nicht an die lokalen Umweltbedingungen angepasst ist. Vor allem bei Verstärkungen von sich im Rückgang befindenden Populationen mit Pflanzenmaterial aus anderen Populationen, könnten so lokale Anpassungen aufgebrochen werden und die Situation für die gefährdete lokale Population noch schlimmer gemacht werden. Dieses Phänomen nennt man Auszuchtdepression, und konnte bisher vor allem bei der Einbringung von Material aus sehr weit entfernt liegenden Populationen (mehr als 200 km) festgestellt werden. Der derzeitige Kenntnisstand lässt allerdings vermuten, dass die Risiken von Inzuchtdepression viel grösser sind als die der Auszuchtdepression. Da jedoch sowohl Inzuchtdepression als auch eine fehlende Anpassung an das Habitat das Überleben einer Population beeinflussen, sollte vor jeder Ansiedlung die Wahl der Herkunft des Materials gut überlegt sein. Stark differenzierte Populationen, z.B. Populationen, welche geografisch sehr weit voneinander entfernt sind, oder welche deutlich andere Habitateigenschaften aufweisen, sollten nicht gemischt werden.
Das verwendete Material bestimmt den Erfolg der Ansiedlung mit! Idealerweise sollte das angesiedelte Material den lokalen Umweltbedingungen entsprechen, den lokalen Genpool wiederspiegeln und zugleich eine genetisch diverse Population repräsentieren.
Angepasstes Material verwenden
Unzählige Studien zeigen, dass die Pflanzen an ihre abiotischen und biotischen Bedingungen angepasst sind. Ein paar Regeln:
Diverses Material verwenden
Eine hohe genetische Variation des auszupflanzenden Materials ist wichtig um eine rasche Anpassung an die lokalen und zukünftigen Bedingungen zu garantieren. Deshalb sollte möglichst der gesamte Genpool einer besammelten Population im Ansiedlungsmaterial vertreten sein (siehe auch die Empfehlungen zum Sammeln von Samen).
Traditionellerweise wurde bisher empfohlen bei Ansiedlungen nur Material einer Population zu verwenden sofern keine Informationen über das Fortpflanzungssystem, Ausbreitung und genetische Struktur bekannt sind welche ein Mischen verschiedener Populationen rechtfertigen würden. Neue Studien weisen allerdings darauf hin, dass eine möglichst grosse genetische Variation von Pflanzen verschiedener Populationen zu besseren Ansiedlungserfolgen führt. Obschon ebenfalls Beispiele für eine höhere Erfolgsrate durch die Verwendung lokalen Materials existieren, scheint im Hinblick auf den Einfluss des Klimawandels und die damit eintretenden Veränderungen ein Mischen von Herkünften von Vorteil, um der angesiedelten Population eine Möglichkeit zur Anpassung an zukünftige Bedingungen zugeben. Die Einbringung von Pflanzenmaterial aus mehreren benachbarten Populationen, welche aus ähnlichen Habitaten stammen, scheint demzufolge sinnvoll zu sein.
Empfehlungen zur ex situ-Erhaltung und Ansiedlung gefährdeter Wildpflanzen
Die IUCN oder Weltnaturschutzunion, hat ihre Empfehlungen zu Ansiedlungen – Guidelines for reintroductions and other conservation translocations – im 2013 überarbeitet. Ansiedlungen lassen sich in drei Bereiche unterteilen: Verstärkungen, Wiederansiedlungen und Neu-Ansiedlungen.
Bei den geplanten Ansiedlungen (=conservation translocation) von Arten, welche das Ziel verfolgen den Gefährdungsgrad der Art zu mindern oder die Funktionen des Lebensraumes wiederherzustellen, unterscheidet man zwischen Ansiedlungen innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes (=population restoration) und ausserhalb des historischen Verbreitungsgebietes (=conservation introduction).
Die geplanten Ansiedlungen innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes werden unterteilt in Verstärkungen (=reinforcement) und Wiederansiedlungen (=reintroduction). Bei Verstärkungen wird eine bestehende Population mit zusätzlichen Individuen verstärkt, bei Wiederansiedlungen wird eine neue Population im ursprünglichen Verbreitungsgebiet gegründet.
Neu-Ansiedlungen oder geplante Ansiedlungen ausserhalb des historischen Verbreitungsgebietes werden in zwei Bereiche unterteilt. Man spricht von "assisted colonisation" oder "begleitender Kolonisation" wenn die Neu-Ansiedlung das Aussterben der Art verhindert, und von "ecological replacement" oder "ökologischer Ersatz" wenn die Neu-Ansiedlung eine ökologische Funktion wiederherstellt.
Am 21. und 22. Januar 2015 organisierte Info Flora zusammen mit der Universität und dem botanischen garten Bern, mit dem Conservatoire et jardin botaniques de la Ville de Genève und dem Musée et jardins botaniques cantonaux de Lausanne eine Tagung zur ex situ-Erhaltung und Ansiedlung gefährdeter Pflanzenarten.
Das Programm und die Zusammenfassungen der Vorträge und Poster können sie hier sehen.
Die abschliessende Diskussion und Synthese wurde von Prof. Markus Fischer, der Universität Bern zusammengefasst.
Die tagung hatte grossen erfolg wir danken allen Rednern und Teilnehmern.
Info Flora führt regelmässig Workshops zum Thema Artenschutz gemeinsam mit anderen Institutionen durch. Diese sollen dazu dienen, PraktikerInnen, Forschende und VertreterInnen von NGOs und Behörden an einen gemeinsamen Tisch zu bringen um sich über einen aktuellen Aspekt des Artenschutzes austauschen. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Workshops werden auf der Seite von Info Flora präsentiert.
Der dritte Workshop zur Ex Situ Thematik konnte am 27. Januar 2023 live in Bern durchgeführt werden. Mit insgesamt 90 TeilnehmerInnen aus 16 Kantonen, so wie aus Frankreich und aus Deutschland, war der 3. ex-situ Workshop ein voller Erfolg.
Ziel des Workshops war die Vermittlung des aktuellen Kenntnisstandes zur bestmöglichen Praxis bei Translokation (Sammelbegriff für Verstärkung bestehender Populationen, Wieder-Ansiedlungen innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes und Neu-Ansiedlungen ausserhalb des historischen Verbreitungsgebietes einer Art) gefährdeter Pflanzenarten. Wie bei allen Vorangegangenen Anlässen waren die Diskussion zentraler Probleme und Austausch über Erfolge, Erfahrungen und Defizite zwischen PraktikerInnen, Forschenden und Behörden in der Schweiz die Schwerpunkte der Veranstaltung.
Botanischer Garten der Universität Bern, Conservatoire et Jardin botanique Genève, InfoFlora
Markus Peintinger: «Erhaltungskulturen und Wiederansiedlungsversuche der Endemiten am Bodenseeufer»
Aufbauend auf der erfolgreichen Ex situ-Konferenz 2015 und dem Workshop «Ex situ-Erhaltung gefährdeter Pflanzenarten: Leitlinien und Erfahrungsaustausch» im 2019, wurde 2021 ein Workshop zur Ansiedlung gefährdeter Pflanzenarten durchgeführt.
Dieser Workshop fand am 22. Januar 2021 online als Konferenz statt und wurde zusammen mit dem Conservatoire et Jardin botaniques Genève und dem botanischen Garten Bern organisiert.
Vermittlung des aktuellen Kenntnisstandes zur bestmöglichen Praxis bei Ansiedlungen (Sammelbegriff für Verstärkung bestehender Populationen, Wieder-Ansiedlungen innerhalb des historischen Verbreitungsgebietes und Neu-Ansiedlungen ausserhalb des historischen Verbreitungsgebietes einer Art) gefährdeter Pflanzenarten. Diskussion zentraler Probleme und Austausch über Erfolge, Erfahrungen und Defizite zwischen Praktikern, Forschern und Behörden in der Schweiz.
Botanischer Garten der Universität Bern, Conservatoire et Jardin botanique Genève, Info Flora
Karin Marti: Praktische Aspekte von Ansiedlungen
Markus Fischer: Wissenschaftlicher Hintergrund von Ansiedlungen
Emmanuelle Favre: Politische Rahmenbedingungen von Ansiedlungen
Synthese aus den Gruppenarbeiten in Stichworten
Vortrag von Karin Marti, topos Marti & Müller AG
Vortrag von Markus Fischer, Institut für Pflanzenwissenschaften und Botanischer Garten der Universität Bern
Vortrag von Emmanuelle Favre, Canton de Genève
Ein erster Austausch zwischen PraktikerInnen und VertreterInnen von Kantonen, Gemeinden und Naturschutzorganisationen hat am 5. April 2019 im Botanischen Garten Bern stattgefunden. Dieser Workshop wurde im Anschluss an die ex situ Konferenz von 2015 geplant und wurde von uns gemeinsam mit dem Botanischen Garten Bern, dem CJB und dem Forum Biodiversität organisiert.
Darstellung des aktuellen Kenntnisstandes zur bestmöglichen Sammlung, Lagerung und Kultivierung gefährdeter Pflanzenarten, sowie Austausch über Aktivitäten, Probleme und Defizite zwischen Praktikern, Forschern und Behörden in der Schweiz.
Botanischer Garten der Universität Bern, Conservatoires et Jardin botaniques der Stadt Genf, Forum Biodiversität und Info Flora
Leitlinien der ex situ-Erhaltung in der Schweiz und international. Andreas Ensslin, BOGA
Evaluation der eigenen Ex situ-Kulturen:
Cavender N, Westwood M, Bechtoldt C et al. (2015) Strengthening the conservation value of ex situ tree collections. Oryx, 1–9.
Cibrian-Jaramillo A, Hird A, Oleas N, Ma H, Meerow AW, Francisco-Ortega J, Griffith MP (2013) What is the Conservation Value of a Plant in a Botanic Garden? Using Indicators to Improve Management of Ex Situ Collections. The Botanical Review, 79, 559–577.
Havens K, Vitt P, Maunder M, Guerrant, E.O.G., Dixon K (2006) Ex Situ Plant Conservation and Beyond. BioScience, 56, 525–532.
Auswahl der Arten für ex-situ Erhaltung:
Cires E, De Smet Y, Cuesta C et al. (2013) Gap analyses to support ex situ conservation of genetic diversity in Magnolia, a flagship group. Biodiversity and Conservation, 22, 567–590.
Farnsworth EJ, Klionsky S, Brumback WE, Havens K (2006) A set of simple decision matrices for prioritizing collection of rare plant species for ex situ conservation. Biological Conservation, 128, 1–12.
Griffiths KE, Balding ST, Dickie JB, Lewis GP, Pearce TR, Grenyer R (2014) Maximizing the Phylogenetic Diversity of Seed Banks. Conservation Biology, 29,70-81.
Sammeldesign von Wildsammlungen für ex situ-Erhaltungen
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Breed MF, Stead MG, Ottewell KM, Gardner MG, Lowe AJ (2012) Which provenance and where? Seed sourcing strategies for revegetation in a changing environment. Conservation Genetics, 14, 1–10.
Broadhurst LM, Lowe A, Coates DJ, Cunningham S a., McDonald M, Vesk P a., Yates C (2008) Seed supply for broadscale restoration: maximizing evolutionary potential. Evolutionary Applications, 587–597.
Caujapé-Castells J, Pedrola-Monfort J (2004) Designing ex-situ conservation strategies through the assessment of neutral genetic markers : Application to the endangered Androcymbium gramineum. Conservation Genetics, 5, 131–144.
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Vander Mijnsbrugge K, Bischoff A, Smith B (2010) A question of origin: Where and how to collect seed for ecological restoration. Basic and Applied Ecology, 11, 300–311.
Prasse R, Kunzmann D, Schröder R (2010) Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen. Abschluss Bericht: DBU Projekt 23931, Leibniz Universität Hannover.
Saura M, Perez-Figueroa, Fernandez J, Caballero A (2008) Preserving population allele frequencies in ex situ programs. Conservation Biology, 22, 1277–1287.
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Miao Y, Su J, Zhang Z, Lang X, Liu W, Li S (2015) Microsatellite markers indicate genetic differences between cultivated and natural populations of endangered Taxus yunnanensis. Botanical Journal of the Linnean Society.
Namoff S, Husby CE, Francisco-ortega J, Noblick LR, Lewis CE, Griffith MP (2010) How well does a botanical garden collection of a rare palm capture the genetic variation in a wild population? Biological Conservation, 143, 1110–1117.
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Management von Ex-situ Kulturen
Basey A, Fant JB, Kramer A (2015) Producing native plant materials for restoration: ten rules to maximize genetic diversity. Native Plants Journal, 16, 37–52.
Ensslin, A, Tschöpe, O, Burkart, M & Joshi, J (2015) Fitness decline and adaptation to novel environments in ex situ plant collections: Current knowledge and future perspectives. Biological Conservation, 192, 394–401.
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Hamilton NRS, Chorlton KH (1996) Regenration of accessions in seed collections: a decision guide. Handbook for Genebanks No. 5. International Plant Genetic Resources Institute, Rome, Italy.
Havens K, Guerrant EO, Maunder M, Vitt P (2004) Guidelines for ex situ conservation collection management. Minimizing risks. In: Ex Situ Plant Conservation: Supporting Species Survival in the Wild (eds Guerrant EO, Havens K, Maunder M), pp. 454–473. Island Press, Washington.
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Lawrence MJ (2002) A comprehensive collection and regeneration strategy for ex situ conservation. Genetic Resources and Crop Evolution, 59576, 1–11.
Fallbeispiele Auswirkungen von Ex-situ Erhaltung auf Fitness und Phänotyp
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