Schließen
< Zurück

Medienmitteilung

Aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Pflanzenarten der Schweiz erschienen

Anhaltend grosse Bestandesverluste decken dringenden Handlungsbedarf auf

Bern, Genf und Lugano, 13. September 2016 – Fast ein Drittel der einheimischen Pflanzenarten haben in den vergangenen 15 bis 30 Jahren zum Teil drastische Areal- und Bestandesverluste erlitten und mussten deshalb als gefährdet eingestuft werden. Zusammen mit den potenziell gefährdeten Arten, die ebenfalls Einbussen hinnehmen mussten, ergibt sich eine bedrohliche Situation für fast die Hälfte aller in der Schweiz einheimischen Arten. Im Vergleich zur letzten Roten Liste aus dem Jahr 2002 hat sich die Gefährdungssituation insgesamt sogar verschlechtert. Will die Schweiz ihr Naturkapital bewahren, muss sie dringend umfangreiche Massnahmen ergreifen.

Für die Rote Liste der Pflanzen wurden 2613 einheimische Arten untersucht. Für den Grossteil der Arten waren ausreichende Informationen vorhanden, um ihren Gefährdungsgrad zu bestimmen. Insgesamt standen in der nationalen Datenbank, die laufend aktualisiert wird, fast 5 Millionen Fundangaben zur Verfügung. Für rund 800 Arten mussten allerdings Erhebungen im Feld durchgeführt werden. In einem mehrjährigen Projekt unter der Leitung von Info Flora haben 420 ehrenamtliche Artenkenner über 6000 früher bekannte Fundorte wieder aufgesucht. Es wurde kontrolliert, wie sich die Populationen der Arten entwickelt haben. Dadurch konnte die Rote Liste auf eine noch nie dagewesene solide Datenbasis gestellt werden.

Bei ihrer Suche gingen die Botaniker allerdings oft leer aus: Ein grosser Teil der einstigen Fundorte war verwaist. Vor allem Pflanzenarten, die bereits in der letzten Roten Liste aus dem Jahr 2002 als gefährdet eingestuft worden waren, haben in den letzten 15 Jahren weiterhin grosse Verluste erlitten.

Viele Verlierer, wenig Gewinner

Insgesamt wurden 725 Arten (28% der Flora) als gefährdet eingestuft und damit in die Rote Liste aufgenommen, weil ihr Verbreitungsareal oder ihre Bestandesgrösse stark zurückgegangen ist oder weil sie nur noch in fragmentierten oder sehr kleinen Gebieten in der Schweiz vorkommen. 55 dieser Arten sind bereits in der Schweiz ausgestorben oder verschollen. Bei 10% der einheimischen Arten hat die Bedrohungssituation in den letzten 15 bis 30 Jahren zugenommen, das heisst die Verluste haben sich verschärft. Bei anderen Arten hat sich die Bestandesabnahme verlangsamt, was aber keine Verbesserung darstellt, sondern lediglich eine abgebremste Verschlechterung. Von den Arten, die nicht in die Rote Liste aufgenommen wurden, haben 415 ebenfalls Bestandeseinbussen erlitten. Sie gelten als potenziell gefährdet. Damit hat fast die Hälfte der Pflanzenarten in den vergangenen 15 bis 30 Jahren an Boden verloren.

Nur wenige Arten, die 2002 als gefährdet eingestuft wurden, verzeichnen eine Stabilisierung oder gar Zunahme ihres Bestandes in der Schweiz. In vielen Fällen handelt es sich um eine Verbesserung, weil sie aufgrund des Klimawandels oder der Nutzungsänderungen in der Landwirtschaft neuen Lebensraum erschliessen konnten.

Red List Index

Um die gesamte Gefährdungssituation zu beurteilen, wurde für die Roten Listen 2002 und 2016 der sogenannte IUCN Red List-Index berechnet. Dieser umfasst die Summe aller Veränderungen, die sich bei der Revision einer Roten Liste ergeben. Der Index zeigt einen negativen Trend, das heisst die Gefährdungssituation für die Pflanzen in der Schweiz hat sich weiter verschlechtert. Die Bestände vieler Pflanzenarten sind auf einem tiefen Niveau angelangt.

Der Red List Index erlaubt es auch, die nationalen Trends für die Flora einzelner Lebensräume darzustellen. Dabei zeigt es sich, dass die Pflanzen der Fettwiesen, der Gebirgsrasen und der Felsen generell weniger unter Druck sind als die Pflanzen der Gewässer, der Ufer und Moore oder der Trockenwiesen. Der Verlust an Populationen führt aber überall zu immer artenärmeren Lebensräumen und damit zu einer Homogenisierung und Vereinheitlichung der Lebensgemeinschaften.

Grosser Handlungsbedarf

Die Ursache für den schlechten Zustand der Flora sind der Lebensraumverlust und die Abnahme der ökologischen Qualität in den verbliebenen Lebensräumen. In der fetter werdenden Landschaft werden Arten magerer Standorte systematisch zurückgedrängt.

Es gibt aber auch Lichtblicke: Lokale und regionale Artenförderungsprojekte zeigen Wirkung. Einzelne Bestände konnten stabilisiert und vergrössert werden. Es lohnt sich, zu handeln! Auch die Ausweisung von Biotopen von nationaler Bedeutung haben dazu geführt, dass die Lage der Flora in der Schweiz nicht noch schlechter ist; sie reichen aber nicht aus: Bereits die Stabilisierung des heutigen Zustands der Artenvielfalt benötigt ein deutlich stärkeres Engagement. Benötigt werden massive zusätzliche Anstrengungen. Dazu gehört unter anderem die rasche Einführung und Umsetzung des Aktionsplans zur Strategie Biodiversität Schweiz des Bundesrates.

 

Die vollständige Rote Liste kann hier heruntergeladen werden: Rote Liste 2016

Adresse für Rückfragen:
Dr. Stefan Eggenberg, Info Flora, 031 631 39 20, stefan.eggenberg@infoflora.ch
Michael Jutzi, Info Flora, 031 631 49 28, michael.jutzi@infoflora.ch
Adrian Möhl, Info Flora, 031 631 49 28, adrian.moehl@infoflora.ch

 

Wichtige Grafiken der Publikation:

Anteil der Gefässpflanzenarten pro Kategorie (Prozente gerundet)

 

Anzahl Gefässpflanzenarten pro Gefährdungskategorie nach Lebensraumbereich

 

Prozentualer Anteil der Gefährdungskategorien pro Lebensraumbereich

 

IUCN Red List Index zu den Gesamtgefährdungstrends der einzelnen Lebensraumbereiche. Tiefe Indexwerte bedeuten einen höheren Anteil gefährdeter und potenziell gefährdeter Arten. Fettwiesen, Gebirgsrasen und Wälder haben einen eher geringen Anteil gefährdeter Arten, Moore, offene Gewässer und Ufer haben dem gegenüber hohe Gefährdungsanteile. Die Steigung der Kurven zeigen die Trends seit der letzten Roten Liste 2002.