Reglement Stufe 600

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Das Zertifikat Stufe 600 zeichnet eine breite und fundierte Kenntnis in Arten und Grundlagen der Feldbotanik aus. Die Anforderungen sind bewusst hoch. Von Anwärtern auf das Zertifikat wird erwartet, dass sie eine mehrjährige und solide Exkursions- und Bestimmungspraxis besitzen. Die Anforderungen werden in diesem Kapitel summarisch umschrieben und nicht bis ins Detail vorgegeben.

Das Zertifikat zur Feldbotanik-Stufe 600 wird durch das Bestehen einer Prüfung erlangt. Die Prüfungsstelle schreibt eine öffentliche Prüfung aus, die nach den Vorgaben der Zertifizierungskommission durchzuführen ist.

Die geforderten Kenntnisse der Feldbotanik Stufe 600 setzen sich aus zwei Blöcken zusammen. Zur Erreichung des Zertifikats muss in beiden Blöcken die Zertifikatsschwelle erreicht werden. Zur Erreichung eines "Zertifikats mit Auszeichnung" muss in beiden Blöcken die Schwelle für ein "Zertifikat mit Auszeichnung" erreicht werden.


Erster Prüfungsblock – Prüfungsinhalte

Artenkenntnisse

Für die Feldbotanik-Stufe 600 wird eine aktive Kenntnis von 600 in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten geprüft.

Die für die Prüfung vorgegebenen Pflanzenarten sind im Anhang aufgelistet.

Die Namen in der Liste sind konsequent die akzeptierten Namen gemäss SISF (Aeschimann et al. 2005; www.infoflora.ch), und so konform mit der 5. Auflage von Flora Helvetica (Lauber et al. 2012). In der Prüfung werden gängige wissenschaftliche Synonyme akzeptiert.

  • "agg.“ = (Aggregat) im Sinne einer "Sammelart" für Gruppen von Klein-Arten, welche von Nichtspezialisten nur schwer unterschieden werden können
  • "s.lat." = Art, die in Unterarten (Subspecies, abgekürzt subsp.) unterteilt werden kann, welche nahe verwandte Einheiten darstellen.



Kenntnisse wichtiger Pflanzenfamilien

Die Kenntnisse wichtiger Pflanzenfamilien (nach APG III ) und ihre Merkmale werden verlangt. Typische Arten dieser Familien sollen den Familien zugeordnet werden können, auch wenn die Art nicht in der Liste 600 (Anhang) enthalten ist.

Die folgenden Pflanzenfamilien sind zu kennen:

Amaryllidaceae Apiaceae Aspleniaceae Asteraceae Balsaminaceae Betulaceae Boraginaceae Brassicaceae Campanulaceae Caprifoliaceae Caryophyllaceae Crassulaceae Cupressaceae Cyperaceae Equisetaceae Ericaceae Fabaceae Fagaceae Gentianaceae Geraniaceae Iridaceae Juncaceae Lamiaceae Onagraceae Orchidaceae Pinaceae Poaceae Polygonaceae Primulaceae Ranunculaceae Rosaceae Rubiaceae Salicaceae Saxifragaceae Solanaceae Violaceae

Erster Prüfungsblock – Zertifizierungsschwellen

Die Prüfung dieses Kenntnissblockes setzt sich zusammen aus Artenkenntnissen und Kenntnissen zu Pflanzenfamilien. Für die Zertifizierung ist der folgende Wissenstand zu erreichen:

  • Zertifikat erfüllt: 90% der Gesamtpunktzahl
  • Zertifikat erfüllt mit Auszeichnung: mind. 95% der Gesamtpunktzahl

Von diesen als bekannt vorausgesetzten Arten werden 40-50 Arten abgefragt (Stichprobe 6.67-8.33%). Eine an der Prüfung korrekte wissenschaftliche Artansprache ergibt 2 Punkte, wird nur die Gattung erkannt, ergibt dies noch 1 Punkt.


Zweiter Prüfungsblock - Prüfungsinhalte

Für das Zertifikat Feldbotanik-Stufe 600 müssen die KandidatInnen neben den Kenntnissen von Taxa auch über breite Kenntnisse zu verschiedenen, für die Feldbotanik relevanten botanischen Themen verfügen. Diese Themen werden hier in der Folge inhaltlich gruppiert und summarisch aufgelistetet, sie werden aber an der Prüfung als Gesamtheit bewertet, d.h. die Punkte der verschiedenen Themen werden zusammengezählt und als Summe für die Zertifizierung evaluiert.

Kenntnisse Lebensformen, Morphologie

An einer Pflanze (Frischmaterial, Herbarmaterial oder Abbildung) sollen die für eine Bestimmung wichtigen Organe und Merkmalsausprägungen mit Fachausdrücken benannt werden können. Fachausdrücke entsprechend relevanter Literatur (z.B. Binz & Heitz 1990, Lauber & al. 2012, Aeschimann & Burdet 2008, Baltisberger & al. 2013). Die Kenntnisse der Fachterminologie kann auf verschiedene Weisen geprüft werden, z.B.: a) Erklärung (Umschreibung oder Zeichnung) eines vorgegebenen Fachterminus b) Beschreibung einer Pflanze (eines Pflanzenteiles) mit korrekten Fachbegriffen c) Zuweisen von Fachbegriffen in einem Text zu einer Pflanzenskizze



Kenntnisse Bestimmungsschlüssel

Für die Feldbotanik-Stufe 600 wird verlangt, dass Erfahrungen in der Anwendung von dichotomen Bestimmungsschlüsseln bestehen. Diese Erfahrung kann auf zweierlei Weise geprüft werden: a) Bestimmen einer Pflanzenart mit ausgeteiltem dichotomem Bestimmungsschlüssel b) Erstellen eines dichotomen Bestimmungsschlüssels aufgrund ausgeteilter Pflanzenarten oder für ausgewählte Arten aus der 600er Liste.

Die dichotomen Bestimmungsschlüssel können auf verschiedene Weise dargestellt werden. In der Schweiz werden durch die wichtigsten Florenwerke zwei Formen verwendet, sie sind in Variante 1 und 2 dargestellt. Es ist der Umgang mit beiden Formen zu beherrschen.

Variante 1 (Stil Binz/Heitz und Wagner/Lauber) 314. Lepidium L., Kresse 1. Obere B. st.umfassend. 2 – Obere B. nicht st.umfassend. 3 2. Untere B. doppelt fiederschnittig. Bl. blassgelb. L. perfoliatum L. – Alle B. ungeteilt, die oberen mit pfeilförmig. Grunde. Bl. weiss. L. campestre (L.) R. Br. 3. Schötchen an der Spitze nicht ausgerandet. L. latifolium L. – Schötchen an der Spitze deutlich ausgerandet. 4

Variante 2 (Stil Hess/Landolt/Baltisberger) Gattung Lepidium 1. Obere Blätter den Stängel mit 2 Zipfeln umfassend. 2. Obere Stängelblätter mit 2 grossen gerundeten Zipfeln den Stängel umfassend (Zipfel bis ½ so lang wie das ganze Blatt), 1-1½mal so lang wie breit, ganzrandig L. perfoliatum 2* Obere Stängelblätter mit 2 +/- spitzen Zipfeln den Stängel umfassend, 1½ bis 8mal so lang wie breit, meist entfernt und buchtig gezähnt 3. Fruchtstiele 1-1½mal so lang wie die Früchte; obere Blätter bis 1 cm breit, Stängel kurz abstehend behaart L. campestre 3* Fruchtstiele 3-4mal so lang wie die Früchte; obere Blätter meist 1-3 cm breit; Stängel kurz anliegend behaart L. Draba 1* Obere Blätter den Stängel nicht umfassend.


Kenntnisse Biogeografische Regionen und Höhenstufen Die Einteilung der Schweiz in 6 Biogeographische Regionen wird als bekannt vorausgesetzt.


Es wird erwartet, dass die folgenden Begriffe korrekt erklärt und angewendet werden können: Kolline Stufe Montane Stufe Subalpine Stufe Alpine Stufe Nivale Stufe

Die 4 Klimatypen der Schweiz und ihre Zuordnung zu den Biogeographischen Regionen müssen bekannt sein:

Subatlantisch Subkontinental Insubrisch Gebirgsklima


Kenntnisse Vegetationsaufnahme Es wird vorausgesetzt, dass mit untenstehender kombinierten Abundanz-Dominanz-Skala ("Braun-Blanquet-Skala“) eine Vegetationsaufnahme gemacht werden kann. Die hier definierten Kenntnisse beinhalten nicht das Kennen aller in der Aufnahmefläche vorkommenden Arten.

Individuenzahl (Abundanz) Deckung (Dominanz) r vereinzelte Individuen weniger als 5 % + wenige Individuen weniger als 5 % 1 viele Individuen weniger als 5 % 2 Individuenzahl beliebig 5 – 25 % deckend 3 Individuenzahl beliebig 25 – 50 % deckend 4 Individuenzahl beliebig 50 – 75 % deckend 5 Individuenzahl beliebig 75 – 100 % deckend

Die Kenntnisse von geeigneten Minimalflächen für eine Aufnahme werden nicht vorausgesetzt.

Kreisförmige Aufnahmefläche in welcher die Dominanz-Abundanz der Arten (hier schematisch mit 3 Arten) geschätzt wird.





Kenntnisse Lebensraum und Zeigerwerte Die Lebensraumkenntnisse orientieren sich an der Publikation Delarze & Gonseth: Lebensräume der Schweiz, 2. Auflage 2008. Folgende Kenntnisse werden vorausgesetzt: a) Kenntnisse über die Einteilung in Lebensraumbereiche, Lebensraumgruppen und Lebensraumtypen.

b) Die neun Lebensraumbereiche sollen benannt werden können. Es sollen mindestens je zwei typische Arten für jeden der 9 Lebensraumbereiche (1 bis 9 in untenstehender Tabelle) angegeben werden können: 1 Gewässer 2 Ufer, Feuchtgebiete z.B. 2.2 Flachmoore 2.4 Hochmoore 3 Gletscher, Fels, Schutt, Geröll z.B. 3.2 Alluvionen, Moränen 3.3 Geröllfluren 3.4 Felsen 4 Grünland z.B. 4.2 Trockenrasen (inkl. Halbtrockenrasen) 4.4 Schneetälchen 4.5 Fettwiese 5 Krautsäume, Hochstaudenfluren, Gebüsche z.B. 5.2 Hochstaudenfluren 5.4Heiden, Zwergstrauchheiden 6 Wälder z.B. 6.1 Bruch- und Auenwälder 6.2 Buchenwälder 6.4 Wärmeliebende Föhrenwälder 6.6 Nadelwälder der Hochlagen 7 Pioniervegetation gestörter Plätze 8 Pflanzungen, Äcker, Kulturen 9 Bauten, Anlagen


c) Es wird die Kenntnis vorausgesetzt, dass alle Farn- und Blütenpflanzen der Schweiz ökologische Zeigerwerte nach LANDOLT besitzen. Erweiterte Kenntnisse werden zur Feuchtezahl, der Reaktionszahl und der Stickstoffzahl erwartet; bei diesen Zeigerwerten soll die Bedeutung der Werte bekannt sein. F – Feuchtezahl R - Reaktionszahl N - Stickstoffzahl 1 Zeiger starker Trockenheit ausgesprochene Säurezeiger ausgesprochene Magerkeitszeiger 2 Zeiger mässiger Trockenheit Säurezeiger Magerkeitszeiger 3 Z. mittlere Feuchteverhältnis. Zeiger schwach saurer Böden Zeiger mittlerer Nährstoffverhältnisse 4 Feuchtezeiger schwache Basenzeiger Nährstoffzeiger 5 Nässezeiger ausgesprochene Basenzeiger Überdüngungszeiger

Prüflingen müssen wissen, welche Pflanzen „Extremwerte“ (1 resp. 5) für diese Zeigerwerte aufweisen.


Kenntnisse Taxonomie Als bekannt vorausgesetzte Begriffe, die erklärt werden können und zu denen Beispiele genannt werden können: Beispiele Familie Asteraceae, Apiaceae, Violaceae

Gattung (Genus) Fagus, Quercus, Buche, Eiche Artengruppe (Aggregat) Alchemilla conjuncta agg. Art (Spezies) Fagus sylvatica, Quercus robur Unterart (Subspezies) Ranunculus acris subsp. friesianus

Diese taxonomischen Rangstufen müssen in die hierarchisch richtige Reihenfolge gestellt werden können. Es muss bekannt sein, was Synonyme sind, wie diese zustande kommen und es müssen Beispiele dazu gegeben werden können.



Kenntnisse Gefährdung und Schutz Es wird vorausgesetzt, dass unterschieden werden kann zwischen: Gefährdung Schutz Status einer Art gemäss der Roten Liste Status einer Art gemäss der Naturschutzgesetzgebung (national oder kantonal)

Die folgenden Stufen der Gefährdung, welche die aktuelle Rote Liste verwendet, werden als bekannt vorausgesetzt:

CR vom Aussterben bedroht EN stark gefährdet = gefährdet VU verletzlich NT potenziell gefährdet LC nicht gefährdet



Kenntnisse wichtiger Neophyten Als bekannt vorausgesetzt wird die Einteilung der Neophyten in Arten der "Schwarzen Liste" und Arten der "Watch-Liste".


Datenerfassung Es wird vorausgesetzt, dass Fundangaben korrekt aufgenommen (GPS Koordinaten, Höhe, Exposition, Populationsgrösse etc.) und im elektronischen Formular von Info Flora (ehem. ZDSF) weitergegeben werden können (www.infoflora.ch, DATEN MELDEN, Online-Feldbuch). Die Pflichtangaben einer korrekten Fundmeldung (bzw. die Pflichtfelder im Erfassungsformular) sind bekannt.


5.4. Zweiter Prüfungsblock - Zertifizierungsschwellen Die geforderten Prüfungsinhalte sind in den vorangegangenen Abschnitten erläutert. Die Gewichtung der abgefragten Zusatzkenntnisse ist der Prüfungsstelle überlassen, nicht alle Bereiche müssen in der Prüfung berücksichtigt werden. Es gelten die folgenden Zertifizierungsschwellen:

Zertifikat erfüllt: 80% der Gesamtpunktzahl Zertifikat erfüllt mit Auszeichnung: mind. 90% der Gesamtpunktzahl


5.5. Durchführung der Prüfung

 Die Prüfung findet vorzugsweise in einem botanischen Hochschulinstitut oder einem universitären Botanischen Garten statt. Der Prüfungsort kann von Jahr zu Jahr wechseln; dabei sind die Sprachregionen angemessen zu berücksichtigen.  Die Ausschreibung erfolgt als Aushang an Fachinstituten (ETH/EPFL, Universitäten, Fachhochschulen), am Schwarzen Brett des SVU, in den Rundbriefen der Botanischen Gesellschaften, im Internetportal von Info Flora und der SSS oder anderen geeigneten Ausschreibeorten.  Zeitpunkt der Durchführung ist jeweils gegen Ende der Blühsaison, z.B. Juli oder August. Somit kann neben Herbarmaterial und Bildmaterial auch noch Frischmaterial an den Prüfungen verwendet werden.  Die KandidatInnen bezahlen eine von der Zertifizierungskommission festgelegte Anmeldegebühr, immatrikulierte StudentInnen zahlen die Hälfte. Bei Wiederholung der Prüfung reduziert sich die Prüfungsgebühr ebenfalls um 50%.  Prüfungssprache ist deutsch, französisch oder italienisch. I.d.R. stehen Examinatoren der in der Prüfung angebotenen Sprachen zur Verfügung.  Die Prüfung wird durch die Prüfungsstelle vorbereitet und organisiert. Der Aufbau und Verlauf der Prüfung wird der Zertifizierungskommission vorgelegt und von ihr genehmigt.  Die Zertifizierungskommission oder eine Delegation davon wird vor der Prüfung über die Prüfungsfragen und die Beurteilungskriterien informiert.  Die Prüfungsstelle korrigiert alle Resultate und fällt die Entscheide zum Bestehen der Prüfung.  Die Entscheide bzw. die Zertifikate werden den Kandidatinnen und Kandidaten auf schriftlichem Weg vom Präsidenten der Zertifizierungskommission zugestellt.  Gegen die Entscheide der Prüfungsleitung kann innerhalb von zwei Monaten ab Mitteilung der Ergebnisse bei der Zertifizerungskommission rekurriert werden. Diese entscheidet abschliessend.